Straßennamen erzählen ihre Geschichte
Das "Maulbeergäßchen" in Ötisheim - Schönenberg
Waldenser ? - Maulbeerbaum? - Seidenraupe? - da war doch was.
Als die Waldenser nach Württemberg kamen, züchteten Sie - wie in ihrer Heimat - Seidenraupen, um von den Kokons Fäden für Seidenstoffe zu gewinnen. Es wurden Maulbeerbäume gepflanzt, die als Futterquelle für die Seidenraupen dienten. Bei Schönenberg legten die Waldenser größere Maulbeerplantagen an. Die Maulbeerbäume, die die Waldenser aus ihrer alten Heimat mitbrachten, gediehen jedoch bei uns nicht besonders.
Den Name "Maulbeerbaum" haben viele schon einmal gehört, auch dass ein Zusammenhang mit Seidenraupen besteht, schießt den Befragten durch den Kopf - aber gesehen haben einen Maulbeerbaum die allerwenigsten. Und in der Tat, Maulbeerbäume stehen nicht an jeder Straßenecke, obwohl sie mit zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit zählen. Es waren die alten Chinesen, die zu Zeiten als unsere Vorfahren in Europa als Steinzeitmenschen in Höhlen hausten, bereits vier Tausend vor Christus mit der Kultur der Maulbeerbäume begannen. "Schuld" hieran trägt ein Nachtschmetterling, oder genauer dessen Raupen, die sich auf das Blattwerk des weißen Maulbeerbaumes spezialisiert haben. Zur Verpuppung spinnt sich das Insekt einen Kokon, der aus einem einzigen über 1500m langen Seidenfaden besteht - Ausgangspunkt für die Produktion kostbarer Naturseiden.
Die Gattung Morus
Maulbeerbäume zählen zur Gattung Morus. Verwandtschaft besteht zu der Feige oder dem altbekannten Gummibaum. Schwarzer (Morus nigra) und weißer Maulbeerbaum (Morus alba) stammen aus Westasien bzw. Fernost. Auch ein Morus rubra aus Nordamerika ist bekannt. Für uns interessant sind in erster Linie die weißen Maulbeerbäume. Die Chinesen entwickelten die Kultur des Baumes über die Jahrtausende zur großen Vollkommenheit. Aus einst rein männlichen oder weiblichen Bäumen hat die Zucht Exemplare selektiert, die zur Selbstbestäubung fähig sind und für die Raupen besonders schmackhaftes Laubwerk hervorbringen.
Die Urform des schwarzen Maulbeerbaumes, dessen Blätter den Seidenraupen weniger munden, ist heute nicht mehr bekannt, ebenso verschwand die Wildform des Seidenraupenspinners.
Erste Maulbeerbäume in Europa
Bereits im sechsten Jahrhundert vor Christi tauchen erste schwarze Maulbeerbäume in Griechenland auf. Sie werden ihrer Früchte wegen kultiviert. Im 6. Jahrhundert nach Christi dann sind Nachweise weißer Maulbeer-Kulturen in Europa bekannt. Mönche, so die Vermutung, schmuggelten in Bambusstäben versteckte Seidenraupeneier nach Europa, war es doch jedem Chinesen bei Androhung der Todesstrafe verboten über die Seidenraupenzucht auch nur zu reden. Insbesondere in den wärmeren Ländern Europas wie Italien, Südfrankreich, Griechenland und der Türkei breitete sich daraufhin der Anbau von Maulbeerkulturen und die Seidenraupenzucht aus.
Maulbeeren in Deutschland
Friedrich der Große ließ im 18. Jahrhundert verstärkt Maulbeerbäume in Deutschland anbauen, Schul- und Kirchhöfe sowie Straßenränder wurden bevorzugt bepflanzt. Selbstversorgung in Sachen Seidenproduktion schwebte dem Kaiser vor. Doch diese Initiativen erwiesen sich zumindest für die Produktion von Naturseide als Flop. Hoher Arbeitsaufwand, Unwissenheit über die Seidenraupenzucht, Klima und Krankheiten ließen das mit zwei Millionen Talern geförderte königliche Selbstversorgerideal scheitern. In etlichen Dörfern Brandenburgs gibt es allerdings heute noch Überbleibsel aus jener Zeit zu entdecken.
Maulbeerbäume werden heute kaum noch gepflanzt. Ein Grund den erhalten gebliebenen Exemplaren aus unserer preußischen Vergangenheit unter kulturhistorischen Gesichtspunkten mehr Augenmerk zu widmen. In Palmbach standen bis Ende des zweiten Weltkrieges noch vereinzelt alte Maulbeerbäume im Ort. Zur Zeit ist uns in Palmbach ein Maulbeerbaum bekannt, der vor ca. 15 Jahren gepflanzt wurde.
Liebhaber, die Spass am Experimentieren haben oder sich an Maulbeergelee und Maulbeerwein versuchen wollen, können durchaus im eigenen Hausgarten an geschützter Stelle eine Neuanpflanzung wagen.
In Palmbacher wurde zum Waldenserjubiläum 2001 ein Maulbeerbaum gepflanzt. Gehen Sie diesem Beispiel nach, Sie erhalten damit eine alte Tradition aufrecht.
Von der Seidenraupe bis zum fertigen Seidentuch
Den Faden, aus der die Seide gewebt wird, gibt es fix und fertig in der Natur! Die Seide ist weich, geschmeidig, fein, leicht und trotzdem so fest wie Stahldraht. Die Seide wurde in China entdeckt und kam dann etwa 3000 Jahre später zu uns.
Der Maulbeerspinner ist ein weißer Falter. Das Weibchen legt im Sommer etwa 500 Eier. (Größe = •). Aus den Eiern schlüpfen im Frühling die Seidenraupen. Die Raupe ist schwarz und etwa 3 mm lang. Das Leben der Seidenraupe ist sehr kurz. Sie lebt nur etwa 6 Wochen.
Nach dem Ausschlüpfen frisst sie sehr viele Blätter vom Maulbeerbaum. Sie wächst und wächst und wird immer dicker. Wird es ihr in der Haut zu eng, stösst sie diese ab, und eine neue wächst nach.
Wenn die Raupe groß genug ist, etwa 8 cm lang, fängt sie an, eine Hülle um sich zu spinnen, den Kokon. Aus ihren Spinndrüsen presst die Raupe den Seidenfaden heraus. Der Faden kann bis zu 3 km lang werden. Wenn der Kokon fertig ist, schläft sie in ihm ein.
Im Innern des Kokons verpuppt sich die Raupe. Und 14 Tage danach verwandelt sich die Puppe in einen Falter, der aus dem Kokon schlüpft. Das Weibchen legt dann wieder Eier.
Es dürfen aber nicht alle Puppen ausschlüpfen. Der Kokon geht nämlich kaputt, wenn der Falter ausschlüpft. Die Seidenzüchter lassen deshalb nur ein paar Falter herauskommen. Den Rest der Kokons sammeln sie vorher ein. Diese Kokons werden dann mit heißer Luft erhitzt, um die Falterpuppen abzutöten. Anschließend wirft man die Kokons in kochendes Wasser, so dass sie weich werden. Jetzt wird der Seidenfaden vom Kokon abgewickelt.
Mehrere Seidenfäden geben dann zusammen einen Seidenfaden. Diese Seidenfäden haben aber noch zu viel Seidenleim. Deshalb werden die Fäden noch einmal in heißem Wasser gekocht. Die gewaschenen Seidenfäden werden meist noch gefärbt. Aber dann kann man sie zu wunderschönen Stoffen verarbeiten.
Aus Seide werden nicht nur Kleider gemacht, sondern auch Vorhänge, Krawatten, Bettwäsche, Schals, Kissen, usw. und sogar Regenschirme.